In der Zeit des kalten Krieges betonte die Expo in Lausanne nochmals Schweizerische Werte. Vor allem im Betonigel der Armee. Allerdings war auch ein offenes Land zu sehen. Etwa im Kurzfilm-Projekt: Die Schweiz im Spiegel.
Ein Präludium der Ideen präsentierten Markus Kutter, Lucius Burkhard und Max Frisch 1955. Sie schlugen im Büchlein Achtung: die Schweiz vor, das Land nicht in Pavillons, sondern im Ernstfall auszustellen. Der sollte in einem richtigen Städtchen mit Modellcharakter stattfinden, das irgendwo am Wasser in der Westschweiz gebaut würde. Die öffentliche Diskussion war breit, doch die Entscheidung fiel auf eine herkömmliche Landesausstellung, die am 30. April 1964 in Lausanne ihre Tore öffnete. Auch am Lac Leman wurden über 10 Millionen Eintritte verkauft.
Film und Selbstironie der Schweizer Identität
An der Expo64 wurde zum ersten Mal ein neues Medium, der Film, offensiv und kreativ eingesetzt. Im Rahmen des Projekts Die Schweiz im Spiegel wurden fünf Kurzfilme zu verschiedenen Themen des täglichen Lebens gezeigt. Der Weg der Schweiz entsprach der Höhenstrasse der Landi in Zürich. Die Fahnen der 3000 Schweizer Gemeinden sind allen Besuchern in Erinnerung geblieben.
Gulliver im Land der Schweizer
Gulliver, ein Held wie aus Jonathan Swifts Erzählung, kam anlässlich der Expo64, der Schweizerischen Landesausstellung in Lausanne-Vidy, in unser Land. Neugierig auf das Leben in der Schweiz, empfängt der Riese die Besucher der Expo64 in seinem zentralen Bereich, La Voie Suisse. Dort lädt er die Schweizerinnen und Schweizer ein, ein Spiel in Form eines lustigen Fragebogens zu spielen.
Die Hostessen der Expo64 verteilen Gullivers Notizbuch an interessierte Besucher. Auf humorvolle Weise stellt sich Gulliver vor und lädt sie zu einem Spiel mit zwölf Fragen und Antworten über ihr tägliches Leben ein, das auf spielerische und freundliche Weise formuliert ist: "Kann man ein guter Schweizer sein und nie wählen gehen?", "Kann man ein guter Schweizer sein und erst um 9:00 Uhr aufstehen?". Der Riese, der von Regisseur Charles Apothéloz, Ethnologen und Soziologen ins Leben gerufen wurde, will wie ein Fremder die Besonderheiten der Schweizer Lebensart entdecken.
Während der gesamten Dauer der Expo64 wurden Zehntausende von Fragebögen verteilt. Die amüsierten Besucher antworten aufmerksam, mit ihren Familien oder Freunden. Einige vergleichen ihre Ergebnisse und überarbeiten ihre Antworten. Die Antworten wurden mit Hilfe der ersten modernen Computer aufgezeichnet, zusammengestellt und ausgewertet.
Der Riese und die Zensoren
Im Sinne einer lebendigen Demokratie soll die Entwicklung der Umfrage kontinuierlich auf grossen Tafeln am Eingang des Schweizer Wegs dargestellt werden. Das ist sie nicht. Die Geschäftsführung greift ein, und die Ergebnisse werden nie veröffentlicht. Sie waren Gegenstand einer Kontroverse, über die in der Presse berichtet wurde, zwischen Gullivers Vater, der Direktion und dem Vertreter des Bundes an der Expo, Hans Giger.
An Gulliver erinnert man sich noch immer wegen der Expo64. Für viele ist er der neugierige Riese, der den Helvetiern in Lausanne-Vidy begegnete. Für andere bleiben die Kontroverse um das Spiel und die Zensur der Umfrageergebnisse eine eher unwillkommene Figur im Land der Schweizer.
Photos: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_F63-00477 - Com_BC25-004-005 - Com_BC25-004-009 -Com_BC25-004-0012 - Com_BC25-004-013 - Com_BC25-004-014 - Com_BC25-004-016 - Com_BC25-004-019 - Com_BC25-004-020 - Com_BC25-004-024 - Com_BC25-004-027 - Com_C12-229-017 - Com_C12-229-024 / CC BY-SA 4.0